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Der Home-Office-Trend in Zahlen

Laut einer Studie der Universität Konstanz wünschen sich 56% der Befragten in Zukunft zumindest teilweise von zuhause aus arbeiten zu können. Die Zahlen basieren auf Mitarbeiter, die seit März aktiv im Home-Office arbeiten und entsprechen in Bezug auf Alter und Geschlecht dem Durchschnitt der deutschen erwerbstätigen Bevölkerung.

Obwohl das Arbeiten im meistens isolierten Zustand in den eigenen vier Wänden die kontaktreiche Sozialumgebung eines mit Kollegen gefüllten Büros nicht ersetzen kann, und obwohl die rege Interaktion und Ideenaustausch zum großen Teil fehlen, geben fast 50% der Befragten an, effektiver und produktiver im Home-Office arbeiten zu können.

Das „mobile Arbeiten“ wie sich diese neue Art von Heimarbeit nennt, hat sich als überraschend erfolgreich erwiesen und manche Firmen, wie die Siemens AG, wollen zukünftig Heimarbeit als Firmenstandard einsetzen. Der Siemens-Vorstand hat beschlossen, dass mehr als die Hälfte der Mitarbeiter weltweit künftig an zwei bis drei Tagen in der Woche im Home-Office arbeiten wird. „Da haben sich einige Vorurteile gegen das mobile Arbeiten in Luft aufgelöst“, sagt Jochen Wallisch, ein führender Siemens-Manager im Personalbereich.

Das neue Arbeitskonzept betrifft mehr als 140.000 Mitarbeiter des Konzerns an über 125 Standorten in 43 Ländern und geht ab sofort in die Umsetzung. „Das ist eine Weiterentwicklung unserer Unternehmenskultur“, betont Siemens-Chef Roland Busch. Er erklärt, dass diese Art von Arbeiten mit einem anderen Führungsstil verbunden ist – dieser sei an Ergebnissen orientiert, nicht an der Präsenz im Büro.

Einer weiteren Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung zur Folge wollen viele Firmen in Deutschland das Konzept der Home-Office-Arbeit in Zukunft weiterführen. In der Zeit vor der Pandemie haben nur in jeder vierten Firma im verarbeitenden Gewerbe beispielsweise Mitarbeiter regelmäßig von zuhause aus gearbeitet. Jetzt sind es fast 50% – und nach der Krise planen rund 37% der Unternehmen, die Home-Office-Arbeitsplätze zu halten.

In der Informationswirtschaft – die IKT-Branche, Mediendienstleister und Informatik – sind die Zahlen sogar höher. Vor der Krise hat jede zweite Firma Mitarbeiter im Home-Office beschäftigt. Fast zwei Drittel der Unternehmen möchten zukünftig das mobile Arbeiten am Heimarbeitsplatz weiter nutzen. Für die Studie wurden 1765 Firmen in Europa mit jeweils mindestens fünf Beschäftigten befragt.

Dabei sind die Nachteile des Home-Office-Arbeitsplatzes nicht gering und sehr wohl bekannt. Vor Allem für Eltern, die teilweise unter der doppelten Belastung von Arbeit und Kinderbetreuung durch die geschlossenen Schulen enorm leiden. Und dann gibt es die Gefahr, dass die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern schlechter werden kann und dass die Loyalität und die Verbindung zum Unternehmen abreißen. Dies seien wichtige Gründe, warum das Büro auf lange Sicht nicht ganz abgeschafft werden könnte, meinen Experten. Laut einer Umfrage des Fraunhofer-Instituts in Sankt Augustin ist die Anzahl der Kontaktpersonen in der Krise weniger geworden – bei den mehr als 2000 Befragten in Großfirmen hatte man früher Kontakt zu durchschnittlich 10 bis 15 Kollegen, im Home-Office seien es nur noch fünf bis neun.

Es gehört auch eine gute Portion Selbstdisziplin dazu, in den eigenen vier Wänden zu arbeiten. Da hier der Austausch mit Kollegen und die Struktur häufig fehlen, können tatsächlich die Arbeitsprozesse darunter leiden. Während manche vergessen, Pausen zu machen und Arbeit und Freizeit kaum noch trennen können, haben andere es schwer, nach einer Pause wieder mit der Arbeit weiter zu machen, da ihnen der Außendruck einfach fehlt. Zudem fand das Fraunhofer-Institut heraus, dass 65% der Befragten die gemeinsamen Pausen vermissen: 85% fehlt der persönliche und 66% der fachliche Austausch.

Hinzu kommt, dass der Arbeitsplatz zu Hause gut ausgestattet sein muss. Jahrzehntelang wurde in Firmen nach den besten ergonomischen Konditionen untersucht. Die Arbeit am Küchentisch oder auf der Couch kann deshalb kein dauerhafter Zustand bleiben – und war lediglich als Notlösung am Beginn der Krise gedacht. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung macht Vorgaben, wie ein Arbeitsplatz ausgestattet sein sollte – wer diesen Richtlinien nicht folgt, dem drohen  Verspannungen und Rückenschmerzen!

Dietmar Harhoff ist Direktor des Max-Planck-Instituts für Innovation und Wettbewerb in München. „Die Krise hilft uns bei der Digitalisierung“, meint er. „Es klappen jetzt Dinge, die vorher nicht geklappt haben“. Obwohl mittlerweile viele ins Büro zurückgekehrt sind, liegt die Quote der Beschäftigten im Home-Office im Vergleich zu vor der Krise immer noch sehr hoch. „Die Nutzungsintensität und -häufigkeit liegen mit fast 40% weit über den 20% der Heimbeschäftigten vor Corona“, erklärt Harhoff. Das MPI hatte Anfang März und zwei Monate später, Anfang Juni, Umfragen geführt. Daraus wurde ersichtlich, dass im idealen Fall Mitarbeiter zwei bis drei Mal die Woche im Home-Office arbeiten. „In vielen Hinsichten ist die physische Präsenz vor Ort einfach notwendig“, sagt Harhoff.

Um künftig optimale Konditionen zu schaffen sollten laut Harhoff Unternehmen einige Strategien sowohl konzeptionell als auch physisch umdenken. „Es müssen den Mitarbeitern optimale technische Möglichkeiten angeboten werden“, erläutert der Direktor, „damit sie unter den bestmöglichen Bedingungen von zuhause aus arbeiten können“. Zum anderen sei es enorm wichtig, dass Führungskräfte Anweisungen bekommen, wie sie in der neuen Situation ihre Teams optimal führen.

Jutta Rump, Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability in Ludwigshafen glaubt auch nicht, dass sich das Modell aus 100% Home-Office durchsetzen wird. Ihrer Meinung nach werden sich  Mischformen entwickeln und:  „Wir werden nicht mehr in die alte Welt zurückgehen.“