Contact-Center gehören heutzutage zu den anspruchsvollsten Kommunikationsumgebungen überhaupt. Ein hohes Anrufvolumen und das komplexe Routing sowie die hohen Anforderungen an Service-Qualität und Verfügbarkeit erfordern eine leistungsfähige Telefonanlage, die im Mittelpunkt der gesamten Infrastruktur steht. Worauf man bei der Evaluierung der Systeme achten sollte, erläutern wir in diesem Beitrag:
ISDN vs. ALL-IP: In bestimmten Fällen ist eine Koexistenz zwingend notwendig
Jahrelang stand vor der Auswahl einer geeigneten UCC-Plattform für Contact-Center-Umgebungen eine große Frage, die es zu klären galt: ISDN oder IP? Mit der Abschaltung von ISDN und der Umschaltung auf ALL-IP durch die Deutsche Telekom stellt sich diese Frage heute in aller Regel nicht mehr. Aufgrund der Zukunftssicherheit der Investition geben Betreiber oft nativen, SIP-basierten Systemen den Vorzug.
Vorsicht ist allerdings geboten, wenn es um die Modernisierung eines bestehenden Contact-Centers geht. Um einen reibungslosen Betrieb zu gewährleisten, sollte die neue TK-Anlage zumindest einen hybriden Betrieb unterstützen, bei dem ISDN- und IP-Komponenten koexistieren können. Auf diese Weise ist es möglich, das vorhandene ISDN-Equipment weiterhin zu nutzen und den bewährten ISDN-Trunk noch für eine befristete Zeit aufrechtzuerhalten.
IT-Verantwortliche müssen sich heute eine ganz andere grundlegende Frage stellen, bevor es an die Evaluierung konkreter Produkte geht: On-Premise oder Cloud? Derzeit setzt die Mehrheit der Contact-Center auf eine im Data Center betriebene Appliance oder VM. Schließlich möchte man den geschäftskritischen Sprachdienst optimal kontrollieren und nahtlos in die eigenen IT-Prozesse integrieren können. Mittelfristig werden aber auch Cloud Services in diesem Umfeld stetig zulegen. Verantwortliche, die heute in eine Telefonanlage investieren, sollten gehostete Lösungen bei der Analyse auf jeden Fall als gangbaren Weg berücksichtigen.
Klassische Leistungsparameter einer TK-Anlage
Nachdem die grundsätzliche Eingrenzung erfolgt ist, gilt es nun, die unübersichtliche Vielfalt der am Markt verfügbaren Produkte anhand der konkreten Anforderungen zu bewerten.
In der Regel stehen für Unternehmen folgende Leistungsparameter im Vordergrund:
- Anzahl Agent-Arbeitsplätze im Contact-Center
- Möglichkeiten zur Steuerung der Service-Qualität der jeweiligen Systeme
- Skalierbarkeit des Systems
- Hochverfügbarkeits- und Redundanzoptionen
Besonders der letzte Punkt ist für Contact-Center wichtig und sollte genau überprüft werden. Bewährt haben sich individuelle Checklisten, die dabei helfen, das breite Angebot auf dem Markt vorzusortieren.
Evaluierung Contact Center-spezifischer Funktionen
Zusätzlich zu den oben genannten Parametern müssen TK-Anlagen eine Reihe ganz spezifischer Funktionalitäten unterstützen, um für den Einsatz im Contact-Center geeignet zu sein. Dazu zählen:
- Abfragegruppen und Warteschleifen: Eine Basisfunktion von Hotlines ist das Einreihen eingehender Anrufe in eine Warteschleife, um das Abwerfen einzelner Gespräche zu verhindern und anschließend sukzessive an die zuständigen Mitarbeiter zu vermitteln. Um die Zuständigkeiten im Unternehmen abzubilden, werden die Agents in der Regel unterschiedlichen Abfragegruppen zugewiesen. So kann das Anrufvolumen systematisch abgearbeitet werden und eine geeignete Klingel- und ACD-Strategie implementiert werden.
- Skill-based Routing:Auch eine Verteilung an Mitarbeiter, deren Profile mit bestimmten Qualifikationen (Sprache, Technologiekompetenz etc.) ist eine nützliche Funktion. Die Priorisierung der Anrufe auf Basis bestimmter Kriterien stellt eine intelligente Erweiterung der klassischen Rufverteilung dar. Werden vorab verschiedene Skills definiert, können eingehende Anrufe vorrangig den Agents zugeordnet werden, deren Skills am ehesten den Anforderungen des Anrufers entsprechen.
- IVR- (Interactive Voice Response) und Ansageserver: Steigt das Anrufvolumen, kann es sinnvoll sein, eingehende Gespräche im Zuge einer vorgeschalteten Abfrage vorzusortieren. Dies geschieht beispielsweise, indem der der Anrufer gebeten wird, sein Anliegen zu spezifizieren („Für Fragen zum Produkt drücken Sie bitte die 1.“) oder eine bestimmte Sprache zu wählen. Auf diese Weise können Gespräche gezielter zugewiesen werden und eine effizientere Bearbeitung sowie höhere Kundenzufriedenheit wird erreicht. Darüber hinaus wird durch die zusätzliche Ansprache vor dem eigentlichen Gespräch die gefühlte Wartezeit verkürzt. Weit verbreitet und technisch einfachere zu realisieren sind Ansage-Server, die dem Anrufer über seine aktuelle Position in der Warteschlange und die voraussichtliche Wartezeit informieren oder Musik einspielen.
- Monitoring-, Logging- & Reporting-Features: In der Regel möchten Betreiber von Contact-Centern die Möglichkeit haben, den Hotline-Betrieb durchgehend auf Dashboards zu überwachen sowie sich in Gespräche aufzuschalten oder einzelne Telefonate zur Qualitätssicherung mitzuschneiden. Dies ist für die Erhaltung der Service-Qualität auf dem gewünschten Level unabdingbar. Zudem sind größere Contact-Center über das Echtzeit-Monitoring der Prozesse hinaus auf leistungsfähige Analyse- und Reporting-Tools angewiesen, mit denen sich die Abläufe und Qualitätsparameter auch rückwirkend analysieren und dokumentieren lassen.
Evaluierung der Integrationsoptionen der Anlage
Zusätzlich zu den Contact-Center-spezifischen Funktionen lohnt sich auch die genauere Betrachtung der Schnittstellen und Integrationsoptionen, die die neue UCC-Plattform bietet. Dabei gilt grundsätzlich: Je besser sich die Lösung in vorhandene und/oder künftige Systeme integrieren lässt, desto sicherer ist die Investition und desto nahtloser werden sich die Kommunikationsprozesse in die Abläufe des Contact-Centers integrieren lassen. Folgende Punkte sollten im Blick behalten werden:
- Integration von Medienkanälen: Um Kontakt aufzunehmen nutzen Kunden heute neben Telefon auch E-Mail, Chats, Fax oder Webformulare. Damit alle Medienkanäle eine einheitliche Qualität der Kundenkommunikation bieten, müssen im Contact-Center sämtliche Kanäle am Arbeitsplatz der Agents zusammenlaufen. Daher sollte die Telefonanlage als offene Plattform ausgelegt sein und nahtlos in die IT-Struktur integrierbar sein. Achten Sie auf vorhandene Schnittstellen für eine möglichst tiefe Computer Telephony Integration (CTI) sowie dedizierte UCC-Clients für die Integration von Windows- oder Mac-Clients, in denen sich die verschiedenen Kanäle effizient bündeln lassen.
- Integration vorhandener Anwendungen: Um optimale eine Kundenbetreuung gewährleisten zu können und stets auskunftsfähig zu bleiben, sollten die Agents bereits vor der Annahme des Gesprächs Zugriff auf die Stammdaten und Historie des anrufenden Kunden bekommen. Dies setzt voraus, dass die Telefonanlage über offene Schnittstellen zu den vorhandenen CRM- und ERP-Systemen unterstützt. Die Anbindung vorhandener Adressbücher zählt zwar zu den vergleichsweise einfachen Features, dennoch kann es die Kundenkommunikation nachhaltig erleichtern, beispielsweise um Kunden im Rahmen von Outbound-Kampagnen zu kontaktieren.
- Integration von Endgeräten: Das Endgerät als wichtigstes Handwerkszeug der Contact Center-Agents überhaupt wird oftmals durch Softphones in Verbindug mit Headsets ersetzt. Je nach Anforderung kann es aber auch sinnvoll sein, DECT-Headsets, Smartphones oder klassische Tischtelefone sowie Contact-Center-spezifische Komponenten wie beispielsweise Wandanzeigen in die Telefonanlage zu integrieren. Bei der Auswahl der passenden TK-Anlage sollten Betreiber also auf eine möglichst breite Palette kompatibler Hersteller und Modelle achten. Um einen reibungslosen Betrieb des Contact-Centers zu gewährleisten, sollte auch auf Auto-Provisioning und automatisierte Firmware-Updates geachtet werden.
Fazit: Offenheit ist Trumpf
Grundlage eines jeden leistungsfähigen Contact-Centers ist eine ebenso leistungsfähige UCC-Plattform. Neben den klassischen Leistungsparametern sollten ITK-Entscheider bei der Auswahl einer geeigneten Telefonanlage auch eine Reihe branchenspezifischer Funktionalitäten sowie die Schnittstellen und Integrationsoptionen beachten. Als Faustregel gilt dabei: Je offener sich eine Lösung präsentiert, desto besser lässt sich die Installation an aktuelle und künftige Anforderungen anpassen und desto sicherer sind die Hardware- und Software-Investitionen.